BACH JS

….. of the Bach discography. Because Woodward approaches the two cycles fluently and briskly as one unified work, because, as a graduate of the avant-garde he doesn’t need to shy away from any technical challenge, because he knows how to courageously take full advantage of the possibilities of the modern grand piano, because he relies less on interpretation than on fierily incendiary presentation, Woodward removes anything historical, elitist or alienating from this music; he understands Bach as a contemporary of innovators such as Xenakis, Cage, Feldman, and Ligeti. No looking back, no nostalgia, no more educational high-browism, no more old Europe. Never before did Johann Sebastian have such a future ahead of him.
REINHARD J. BREMBECK
Süddeutsche Zeitung, Munich
April 17, 2010…
Roger Woodwards Einspielung des Wohltemperierten Klaviers
Eine Erinnerung: Roger Woodward sitzt am Klavier, konzentriert kühn die Haltung. Nur die Hände, die sieht man nicht, weil sie, schneller als die Kamera es einfangen könnte, über den Tasten hin- und herfliegen, so dass der Eindruck entsteht, als würde Shiva persönlich Klavier spielen. Dann kommt der 1942 in Australien geborene Pianist kurz zu Wort, und sagt kaum mehr als: “Wenn ich Xenakis spiele, habe ich das Gefühl, ich könnte Bäume ausreißen.” Und wieder werden Shivas Hände sichtbar, die sich durch Xenakis “Eonta” wühlen, die Noten aus der Partitur ausreißen und wie Baumstämme durch den Raum schleudern.
Aber Woodward kann auch das Gegenteil von berserkerhaft. Er hat auch den langen Atem und die spirituelle Freiheit für Morton Feldmans Klavierkonzert. Für Woodward scheint eines entscheidend zu sein: Dass die Musik, die er spielt, radikal und gänzlich subjektiv sein müsse. Auch wenn er so zur Ikone der Avantgarde geworden ist, gar als der würdige Nachfolger des Cage-Pianisten David Tudor gelten darf, hat Woodward sich doch immer wieder auch ganz tief in die Tradition hinein verloren. Für die auf Außergewöhnliches und Außenseiter spezialisierte Plattenfirma Celestial Harmonies hat Woodward Chopin, Debussy, und Bach eingespielt - gerade sind die beiden Bände des Wohltemperierten Klaviers erschienen, denen im Miniaturformat das Autograph beigegeben ist.
Es sind dies viereinhalb Sternstunden der Bach-Diskographie geworden. Weil Woodward flüssig und zügig die beiden Zyklen als Einheit angeht, weil seine an der Avantgarde geschulte Technik ihn vor keiner Schwierigkeit zurückzucken lässt, weil er die Möglichkeiten des modernen Flügels kühn ausreizt, weil er sich weniger auf Interpretation einlässt denn auf furios zündende Darstellung. Woodward tilgt alles Historische, alles Elitäre, alles Befremdliche aus dieser Musik, er begreift Bach als Zeitgenossen von so radikalen Erneuerern wie Xenakis, Cage, Feldman, Ligeti. Keine Rückschau, keine Wehmut, keine Bildungshuberei, kein altes Europa: So viel Zukunft hatte Johann Sebastian noch nie vor sich.

“a pianistic genius”  Tom Sutcliffe, The Guardian (Xenakis’ Eonta)