DEBUSSY Claude

….. Die Rede ist vom 1942 geborenen Roger Woodward und von Nelson Freire, Jahrgang 1944, die beide die Préludes von Claude Debussy aufgenommen haben, Roger Woodward beim Label “Celestial Harmonies”, Nelson Freire bei Decca. Da drängt sich ein Vergleich auf, und so möchten wir Ihnen heute hier in der “Klassik-Zeit” gleich zwei CDs vorstellen. Lassen wir dem älteren Herrn den Vortritt, hier ist also zunächst Roger Woodward mit einem Feen-Reigen aus dem zweiten Heft der Préludes von Claude Debussy.
“Les Fées sont d’exquises danseuses” - “Die Feen sind erlesene Tänzerinnen”, das kann man sich bei dieser Musik gut vorstellen, Roger Woodward spielte das 4. Prélude aus dem 2. Heft. Das war aber nur das Vorspiel zu unserem Vergleich der Debussy-Aufnahmen von Roger Woodward und Nelson Freire hier in hr2-kultur, denn während Roger Woodward beim Label “Celestial Harmonies” beide Hefte der Préludes aufgenommen hat, hat sich Nelson Freire bei “Decca” auf das erste Heft beschränkt, als Ergänzung aber noch “Children’s Corner” und das berühmte “Clair de lune” aus der Suite bergamasque für die CD gespielt.
Wie spielen zwei Pianisten das selbe Stück? Das ist immer eine spannende Frage und in den seltensten Fällen wird man feststellen, dass sie das selbe Stück gleich spielen. Denn, auch wenn sich die Komponisten sehr bemühen, ihre musikalische Vorstellung möglichst präzise aufs Notenpapier zu bekommen - es bleibt immer ein Rest, den der Musiker selbst entscheiden und gestalten muss, deshalb wird er ja auch “Interpret” genannt. Hören Sie also einmal genau hin, wie Roger Woodward und Nelson Freire die Préludes von Claude Debussy interpretieren, denn zum Vergleich haben wir jetzt zweimal das gleiche Stück aufgelegt:
Diesmal darf Nelson Freire beginnen, und wir wollen für diesen Vergleich eines der wenigen Stücke heranziehen, in denen sich Claude Debussy auf Italien bezieht: “Les Collines d’Anacapri” steht unter dem 5. Stück der Préludes. Debussy wollte die Titel ja nicht über die Musik schreiben, um die Hörer in ihrem Höreindruck nicht gleich festzulegen. Andererseits sind viele dieser Stücke so illustrativ, dass sich Debussy die Mühe der “Unterschrift” wohl nicht hätte machen müssen. Doch zurück zum 5. Prélude, die Hügel von Anacapri werden hier beschrieben, aber nicht nur die Landschaft, sondern auch das temperamentvolle Leben auf der Insel Capri vor Neapel.
Die Hügel von Anacapri - Nelson Freire spielte die Nr. 5 aus dem 1. Heft der Préludes von Claude Debussy. Und jetzt hier in der Klassik-Zeit von hr2-kultur sofort der direkte Vergleich: Les Collines d’Anacapri, diesmal interpretiert von Roger Woodward.
Zweimal haben wir mit Claude Debussy auf die Insel Capri geblickt, genauer: auf die Hügel von Anacapri. Das war Roger Woodward mit dem 5. Prélude aus dem 1. Heft, und davor haben Sie Nelson Freire mit dem gleichen Stück gehört.
Der auffälligste Unterschied zwischen diesen beiden Aufnahmen ist wohl der Klang. Gar nicht unbedingt der Klang des Spiels, sondern der Klang des Instruments und wie es von den Tontechnikern aufgenommen wurde, gerade bei dieser Musik spielt das eine nicht unerhebliche Rolle. Roger Woodwards Aufnahme ist bei Radio Bremen entstanden und er hat sich dort für einen Bösendorfer-Flügel entschieden, auch dies ist ja schon eine Klang-Entscheidung. Bei Nelson Freire ist zwar nicht angegeben, welchen Flügel er spielt, aber es dürfte wohl ein Steinway sein. Wichtiger scheint mir hier aber tatsächlich die Aufnahmetechnik zu sein, denn Roger Woodwards Aufnahme klingt insgesamt klarer und räumlicher. Was diese Tendenz noch unterstreicht, hängt dann mit der Interpretation zusammen:
Roger Woodward lässt sich mehr Zeit, scheint mehr auf die Klangfarben der Musik zu achten, während Nelson Freire einen virtuoseren Stil pflegt und für die meisten Stücke weniger Zeit benötigt. Der Klang, die Farbe hat bei diesen Klavierstücken von Claude Debussy einen eigenen Wert bekommen, Melodien und Akkorde sind nicht musikalischen Formen untergeordnet, sondern die Klangereignisse sind selbst zum konstitutiven Element dieser Musik geworden. Debussy hat hier ganz neue Klangverbindungen gefunden und dabei die Grenzen der Tonalität hinter sich gelassen, auch das zeigt, wie elementar für den Interpreten dieser Musik die klangliche Seite der Préludes ist. Wie Roger Woodward und Nelson Freire dies umsetzen, das möchten wir Ihnen jetzt mit zwei weiteren Stücken vorfühen. Und da es dabei ja nicht um falsch oder richtig, sondern um so oder so geht, wird jetzt nicht von beiden das gleiche Stück zu hören sein, sondern es erklingen zwei aufeinander folgende Stücke aus den Préludes, wobei sich die Pianisten am Flügel abwechseln: Roger Woodward beginnt mit “Des pas sur la neige”, mit den Spuren im Schnee, direkt anschließend hören Sie dann Nelson Freire mit “Ce qu’a vu le vent d’ouest”, mit dem, was der Westwind gesehen hat.

“a pianistic genius”  Tom Sutcliffe, The Guardian (Xenakis’ Eonta)